Account of Anat’s Arrest in German

Account of Anat’s Arrest
By Chana from Germany
Am 12. Juli 2010 kommen etwa 150 Frauen an der Kotel zusammen, um mit gemeinsamen Gebet und Gesang Rosh Chodesh Av zu feiern.
Schon am Eingang beim Security Check herrscht eine angespannte Stimmung. Wir stehen zu dritt im Raum und sollen “warten” – warum und worauf erfahren wir nicht. Es herrscht Uneinigkeit beim Sicherheitspersonal, ob sie uns passieren lassen sollen oder nicht. In Anbetracht der Uhrzeit (kurz vor 7:00 Uhr) und der Tatsache, dass wir Kipa, Tallit und Tfillin dabeihaben, liegt es natuerlich nahe, uns fuer “Nashot haKotel – Women of the Wall (WoW)” zu halten. Ueberraschend werden wir dann aber doch durchgelassen.
In der “Ezrat Nashim” an der Kotel steht schon eine grosse Gruppe Frauen. Ausserdem gibt es ein grosses Presse-Aufgebot. Alle sprechen mit gedaempfter Stimme. Die Szene ist fast ein bisschen unheimlich. Die Tallitot werden ausgepackt und umgelegt. Um unser Interesse an einem friedlichen Ablauf zu betonen, werden wir die Tfillin erst spaeter anlegen, wenn wir unser Morgengebet an “Robinson’s Arch” fortsetzen. (Robinson’s Arch ist der suedliche Teil der Kotel, der seit 1967 ausgegraben wurde. Als Teil des archaeologischen Davidson Center steht er nun nach Absprache Juedinnen und Juden aller Stroemungen zum Gebet zur Verfuegung.)
Anat stellt uns den heute fuer uns zustaendigen Polizisten vor. Es ist  nicht ganz klar, ob er uns beschuetzen oder bewachen soll. Er ergreift aber sofort das Wort und verlangt, dass wir unseren Tallit wie einen Schal umlegen sollen, um keinen Aerger zu erregen. Einige Frauen kommen der Aufforderung nach, aber viele ignorieren sie einfach.
Bis jetzt gab es von Seiten der Charedim noch keine Zwischenfaelle. Ein bisschen Geschrei laesst sich leicht ueberhoeren. Es ist nur der Polizist, der uns seine Anweisungen aufdraengt. Sein “B’Kol Namuch” wird uns durch das ganze Morgengebet begleiten, aber erfreulicherweise fuer das Gegenteil sorgen – unser Gesang wird noch um ein Vielfaches lauter.
Um genau 7:00 Uhr beginnen wir mit dem Gebet. Die Shlichat Tzibbur steht geschuetzt in unserer Mitte und fuehrt uns mit ihrer klaren Stimme durch das Gebet.  Auf der anderen Seite der Trennwand stehen die Maenner, die mit uns gekommen sind, um uns zu unterstuetzen und mit uns gemeinsam zu beten. Hin und wieder schreien einige Charedim und verwuenschen uns. Einer ist schon ganz heiser, aber er gibt nicht auf. Es ist eine merkwuerdige Situation, hinter uns die Charedim, vor uns die Kameras. Trotzdem lassen wir uns nicht irritieren. Das “B’Kol Namuch” des Polizisten fuegt sich in unser Gebet ein.
Niemand wirft mit Stuehlen, niemand spuckt uns an, nur eine Frau kommt auf uns zu und versucht uns mit Worten zum Aufhoeren zu bewegen. Waere der Polizist nicht da, waere die Situation erstaunlich friedlich.
Wir beginnen nun mit dem Hallel. Inzwischen haben alle Frauen ihre Stimme gefunden und schoener, kraeftiger Gesang ertoent. Der Polizist ruft aufgeregt dazwischen, aber niemand beachtet ihn. Andere Frauen, die weiter vorne an der Mauer beten, drehen sich (interessiert?) zu uns um, reagieren aber nicht weiter. Nach 22 Jahren haben sie sich vermutlich an das Rosh-Chodesh-Gebet der WoW-Frauen “gewoehnt”…
Nach dem Hallel erklaert Anat, dass wir nun das Gebet mit der Tora-Lesung fortsetzen, dies aufgrund der aktuellen israelischen Rechtslage jedoch nicht hier an der Kotel geschehen darf. Wir werden darum singend in einer feierlichen Prozession zu “Robinson’s Arch” gehen – dadurch werden die Teile des Morgengebetes direkt zu einer Einheit verbunden und es kommt nicht zu einer Unterbrechung…
Im Gegensatz zu vergangenen Malen, an denen die Frauen das Sefer Tora in der Tasche zu Roinson’s Arch trugen, nimmt Anat heute schon hier an der Kotel die Tora-Rolle aus der Tasche, um sie, wie sonst ueberall selbstverstaendlich, auf ihrem Arm vor uns herzutragen.
Der Polizist hat damit wohl nicht gerechnet. Er bedraengt Anat sofort und verlangt, dass sie das Sefer Tora umgehend wieder in die Tasche legt. Eine Frau duerfe hier keine Tora-Rolle tragen (obwohl sich das Gesetzt eigentlich nur auf das Lesen aus einem Sefer Tora bezieht)!!!
Anat schuettelt ihn ab und geht unbeirrt weiter. Alle 150 Frauen folgen ihr und dem Sefer Tora, lautstark singend, um diesen Weg wirklich zu einem Teil des Gebetes werden zu lassen. Die Kotel haben wir schnell hinter uns gelassen, nun halten wir auf das Security Gate zu. Immer noch mit langsamen, gemessenen Schritten. Es kommt zu keinerlei Ausschreitungen der Charedim, aber dennoch verlangt der Polizist weiterhin einen sofortigen Abbruch der Prozession – und die Herausgabe von Anats Sefer Tora. Laengst belaesst er es nicht mehr bei Worten, sondern wird handgreiflich. Er fasst Anats Nacken und versucht, sie schneller weiterzuschieben – was ihm nicht gelingt, da viele Frauen sich nun zwischen ihn und Anat draengen.
So erreichen wir den Fuss der Treppe. Anat will den Aufstieg beginnen, aber ploetzlich tauchen ueberall Polizisten auf! Waehrend sie mit Gewalt versuchen, Anat von der Treppe fernzuhalten, zerrt “unser” Polizist weiter an der Tora-Rolle. Es kommt zu einem schrecklichen Handgemenge, dass immer schlimmer wird. Ploetzlich sind wir auf der Treppe, aber inzwischen ist es ein richtiger Kampf geworden – ein Kampf um die Tora und der verzweifelte Versuch, Anat aus dem Zugriff der Polizisten zu befreien!
Das Sefer Tora ist gross und schwer – es muss ein immenser Kraftaufwand von Anat sein, die Tora-Rolle nicht loszulassen. (“V’atem HADVAKIM ba’adonai elohechem chayim culchem hayom” erhaelt ploetzlich noch eine ganz neue Bedeutung…)
Oben am Ende der Treppe stehen Charedim und verfolgen das Geschehen auf den Stufen. Im Gegensatz zu den Polizisten scheinen sie aber ziemlich emotionslos zu sein. Auf der Treppe hat sich ein fest verkeiltes Menschen-Knaeuel gebildet – in der Mitte Anat mit dem Sefer Tora, an ihr haengend die Polizisten, die sie nach oben schieben und zerren (waehrend “unser” Polizist noch immer versucht, Anat die Tora zu entreissen), dazu einige Frauen, die mit aller Kraft versuchen, die Polizisten von Anat und der Tora abzubringen.
Auf den Stufen unter uns kommt es zu einem weiteren Zwischenfall – eine der israelischen Frauen wird rueckwaerts die Treppe hinuntergestossen und stuerzt. Natuerlich wenden sich nun alle Frauen, die unterhalb von uns stehen, zu ihr um und wollen ihr helfen – dadurch verlieren sie den Anschluss und bleiben zurueck.
Das Tora-Anat-Polizisten-Frauen-Gemenge kommt wenig spaeter abrupt vor einem wartenden Polizei-Auto zum Stehen. Es war klar, dass wir keine Chance hatten. Anat wird mit der Tora auf den Rücksitz des Autos gestossen. Kaum ist die Tuer zu, braust der Wagen mit ihr davon. Wir konnten gerade noch erfahren, dass sie Anat zum Verhoer ins Kishle bringen werden, die Polizei-Station am Jaffa-Gate.
Inzwischen sind auch die uebrigen Frauen und die uns begleitenden Maenner oben vor dem Eingang angekommen. Alle sind erschuettert und aufgeregt. Wir machen uns auf den Weg zur Polizei-Station.
Vor dem Kishle setzen wir unser Morgengebet fort! Wir gehen davon aus, dass Anat uns hoeren kann… – und sie bald wieder zu uns kommen darf. Was kann ihr schon vorgeworfen werden??
Aber auch nach dem Mussaf und vielen Liedern im Anschluss, mit denen wir Anat ermutigen wollen, bleibt das Tor geschlossen und es gibt keine Neuigkeiten. Jetzt beginnt ein stundenlanges Warten. Es ist heiß und es gibt kaum Schatten. Ab und an erhalten wir eine Antwort auf unsere Frage, wie lange es noch dauern wird – “zehn Minuten”, “eine halbe Stunde”, “2-3 Stunden”, …
Nach und nach wird die Gruppe kleiner. Viele müssen zur Arbeit oder haben andere Verpflichtungen, manchen macht die Hitze zu sehr zu schaffen. Irgendwann sind wir nur noch zu dritt. Talya besorgt uns neues Trinkwasser, ohne das wir bald ausgetrocknet waeren. Wir anderen moegen uns gar nicht vom Tor fortbewegen, um den Moment nicht zu verpassen, wennn Anat endlich wieder herausgelassen wird. Ihr Rechtsanwalt verlaesst die Polizeistation, aber auch er kann uns nicht sagen, wie lange es noch dauern wird.
Wir warten weiter. Inzwischen haben wir keinen Kontakt zur “Aussenwelt” mehr, das einzige Handy funktioniert nicht mehr.
Erst nach vielen Stunden ist es endlich soweit – um 12:20 Uhr kommt Anat mit dem Sefer Tora auf dem Arm aus der Polizeistation! Wir sind so froh und erleichtert, aber eigentlich ist es zum Verzweifeln…
PS (Thanks also to Talya): Der Beschluss des Obersten Gerichtshofs verbietet einer Frau nicht, ein Sefer Tora auf dem Platz vor der Kotel zu tragen. Vielmehr nimmt die Polizei ihr Recht wahr, aus Sicherheitsgruenden alle Taschen zu kontrollieren, die auf den Platz gebracht werden. Auf diese Weise versuchen sie am Rosh Chodesh zu verhindern, dass die Women of the Wall ihr Sefer Tora mit an die Kotel bringen. Die Tora-Rolle wurde darum am fruehen Morgen von einem Mann durch ein anderes Tor auf den Platz getragen, so dass kein Zusammenhang mit dem Rosh Chodesh Gebet der Frauen zu erkennen war. Aus diesem Grund war der Polizist wahrscheinlich wirklich ueberrascht, als Anat das Sefer Tora aus der Tasche holte. Ausserdem behauptet die Polizei, dass eine Frau, die an der Kotel ein Sefer Tora traegt, gegen den Beschluss des Obersten Gerichtshos verstiesse, indem sie den “Minhag ha Makom” missachten wuerde! Selbstverstaendlich bestimmen ausschliesslich die Charedim diesen Minhag haMakom …

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